Eltern haften nicht für Einkäufe ihrer Kinder über 0900-Premiumdienstnummer
BGH, Urteil vom 06.04.2017, Aktenzeichen III ZR 368/16
Keine Haftung des Anschlussinhabers bei nicht autorisierter Nutzung des Telefonanschlusses für ein „Pay by Call-Verfahren“.
Der BGH hat entschieden, dass § 45 i Abs. 4 S. 1 TKG auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines Zahlungsdienstes keine Anwendung findet und der Inhaber eines Telefonanschlusses somit für dessen Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines „Pay by Call-Verfahrens“ nicht haftet. Weiterhin hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob die Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden der Unterschrift bedarf.
Der Fall:
Die Beklagte des zugrundeliegenden Streitfalls ist Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses.
Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des „Pay by Call-Verfahrens“ über eine Premiumdienstnummer (0900) geltend.
Die entsprechenden insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt. Das Kind nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzlich Funktionen gegen sogenannte „Credits“ freigeschaltet werden konnten. Die „Credits“ konnten entgeltlich erworben werden. Die Zahlung konnte unter anderem durch die Nutzung des auf der Internetseite der Spielebetreibenen angegebenen telefonischen Premiumdienstes erfolgen, der von dem abtretenden Unternehmen betrieben wurde. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto jeweils die gewünschten „Credits“ zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge in Höhe von 1.253,93 € werden von der Klägerin geltend gemacht.
Das AG Delmenhorst gab der Klage statt. Die Beklagte legte hiergegen beim LG Berufung ein und beantragte die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
Eine vom Kammervorsitzenden unterschriebene Fristverlängerungsverfügung ist in der Verfahrensakte nicht enthalten. Die Beklagte hat das Rechtsmittel innerhalb der beantragten längeren Frist begründet. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat nachträglich in der Akte vermerkt, dass er die Rechtsmittelbegründungsfrist antragsgemäß verlängert habe. Das LG hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet gehalten und diese zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die Entscheidung:
Der BGH hat die Urteile des LG und des AG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Er hat die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bejaht. Die Begründung des Rechtsmittels ist rechtzeitig eingegangen, da die hierfür laufende Frist wirksam gem. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO verlängert wurde. Es ist nicht erforderlich gewesen, aufzuklären, ob der Vorsitzende der Berufungskammer die Fristverlängerungsverfügung unterschrieben hatte. Der BGH hat entschieden, dass eine solche Verfügung keiner Unterschrift bedarf. Es genügt, wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ergangen ist.
In dieser Sache hat der BGH einen Zahlungsanspruch der Klägerin verneint.
Etwaige auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrages gerichtete konkludente Willenserklärungen des Sohns der Beklagten, die dieser durch Anwahl der Premiumdienstnummer abgegeben haben könnte, sind dieser nicht zuzurechnen.
Weder war das Kind von seiner Mutter bevollmächtigt noch lagen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor.
Eine Zurechnung der Erklärung des Sohns der Beklagten nach § 45 i Abs. 4 S. 1 TKG scheidet aus. Diese Vorschrift findet auf Zahlungsdienste und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstnummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge gehen § 45 i Abs. 4 S. 1 TKG vor.
Der Berechtigte schuldet keinen Aufwendungs-, sondern allenfalls Schadensersatz (vgl. insbesondere § 675 u BGB).
Die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge würden bei Anwendung von § 45 i Abs. 4 S. 1 TKG durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungsvorgänge unterlaufen.
Veröffentlicht von Herrn RA Peter Brohl am 05.04.2017