Flugverspätung: Kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen aufgrund verzögerter Abfertigung wegen mehrstündigen Systemausfalls im Flughafen Terminal
Ausfall aller Computersysteme an Abfertigungsschaltern eines Terminals kann außergewöhnliche Umstände begründen
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Reisende keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 Buchst. c der Fluggast-rechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) haben, wenn es zu verspäteten Flügen wegen einer verzögerten Abfertigung aufgrund eines mehrstündigen Systemausfalls in einem Flughafen Terminal kommt.
BGH, Urteil vom 15.01.2019, Aktenzeichen: X ZR 15/18 und X ZR 84/18
Der Fall:
Die Klägerinnen der zugrunde liegenden Verfahren buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von New York nach London mit Anschlussflügen nach Stuttgart. Die Flüge von New York nach London starteten verspätet und landeten mehr als zwei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit. Infolgedessen erreichten die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in London nicht und kamen mit einer Verspätung von mehr als 9 Stunden in Stuttgart an. Die Klägerinnen verlangten Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 600 EUR wegen verspäteter Flüge nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004). Die Beklagte beruft sich auf außergewöhnliche Umstände und lehnt eine Zahlung ab.
Das Berufungsgericht wies in beiden Fällen die Klage ab. Nach seinen Feststellungen wurde Verspätung der Flüge durch einen Ausfall aller Computer-systeme an den Abfertigungsschaltern des Terminals 7 am John-F.-Kennedy-Flughafen New York verursacht. Aufgrund eines Streiks bei dem für die Telekommunikationsleitungen gegenüber dem Flughafenbetreiber verantwortlichen Unternehmen konnte der Systemausfall erst nach 13 Stunden behoben werden.
Die Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof wies in beiden Fällen die Revision der Klägerinnen zurück. Nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein mehrstündiger Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern eines Terminals außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung begründen kann. Der Betrieb der technischen Einrichtungen eines Flughafens, zu denen auch die Telekommunikationsleitungen gehören, obliegt dem Flughafenbetreiber. Ein Systemausfall, der darauf beruht, dass die Funktions-fähigkeit derartiger Einrichtungen durch einen technischen Defekt über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt oder aufgehoben wird, stellt ein Ereignis dar, dass von außen auf den Flugbetrieb des Luftverkehrsunternehmen einwirkt und dessen Ablauf beeinflusst. Ein derartiges Vorkommnis ist von diesem Unternehmen jedenfalls nicht zu beherrschen, da die Überwachung, Wartung und Reparatur derartiger Einrichtungen nicht in seinen Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich fallen.
Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte mit der manuell und über Mitarbeiter in Washington telefonisch durchgeführten Abfertigung der Fluggäste alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um den durch den Systemausfall bedingten Beeinträchtigungen entgegen-zuwirken, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Dass die Beklagte, wie die Revisionen rügen, durch ein Ausweichen auf die technischen Einrichtungen eines anderen Terminals die Verspätung hätte verhindern können, ist weder festgestellt noch vorgetragen.
Unerheblich ist, ob die Beklagte, wie die Revisionen ferner meinen, den Start des gebuchten Fluges von London nach Stuttgart verschieben, die Klägerinnen auf einen anderen Flug von London nach Stuttgart umbuchen oder einen zusätzlichen Flug nach Stuttgart hätte durchführen können. Selbst wenn darin der Beklagten zumutbaren Maßnahmen gesehen würden, kommt es hierauf nicht an, weil damit die für Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-verordnung allein erhebliche Verspätung des Flugs von New York nach London nicht hätte verhindert werden können.
Veröffentlicht von Herrn Markus Sabbagh am 15.01.2019