Illegales Autorennen auf dem Kurfürstendamm
BGH hebt Verurteilung wegen Mordes auf.
Urteil vom 01.03.2018, Aktenzeichen: 4 StR 399/17
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichtes Berlin, das zwei Autofahrer wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt hatte, insgesamt aufgehoben. Die Verurteilung wegen Mordes konnte keinen Bestand haben, weil sie auf einer in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaften Grundlage ergangen ist.
Der Fall:
Das Landgericht Berlin hatte zwei Angeklagte (unter anderem) wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer des Landgerichts führten die damals 24 und 26 Jahre alten Angeklagten am 1. Februar 2016 gegen 0:30 Uhr in Berlin entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße ein spontanes Autorennen durch. In dessen Verlauf fuhren sie nahezu nebeneinander bei Rotlicht zeigender Ampel und mit Geschwindigkeit von 139-149 KM/h beziehungsweise 160-170 Km/h in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße ein.
Im Kreuzungsbereich kollidierte der auf der rechten Fahrbahn fahrende Angeklagte mit einem PKW, der bei grünem Ampellicht aus der Nürnberger Straße von rechts kommend in die Kreuzung eingefahren war. Dessen Fahrer erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Durch die Wucht des Aufpralls wurde das Fahrzeug dieses Angeklagten zudem auf das neben ihm fahrende Fahrzeug des Mitangeklagten geschleudert, in welchem die Nebenklägerin auf dem Beifahrersitz saß. Diese wurde bei dem Unfall erheblich, die Angeklagten wurden leicht verletzt.
Die Entscheidung:
Auf die Revisionen der Angeklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts insgesamt aufgehoben. Die Verurteilung wegen Mordes konnte keinen Bestand haben, weil sie auf einer in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaften Grundlage ergangen ist. Der vom Landgericht Berlin festgestellte Geschehensablauf trägt schon nicht die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
Nach den Urteilsfeststellungen, an die der Gerichtshof gebunden ist, hatten die Angeklagten die Möglichkeit eines für einen anderen Verkehrsteilnehmer tödlichen Ausgang Ihres Rennens erst erkannt und billigend in Kauf genommen, als sie in die Kreuzung einfuhren. Genau für diesen Zeitpunkt hat das Landgericht allerdings auch festgestellt, dass die Angeklagten keine Möglichkeit mehr hatten, den Unfall zu verhindern; sie seien „absolut unfähig gewesen, noch zu reagieren“.
Nach diesen Feststellungen war das zu dem tödlichen Unfall führende Geschehen bereits unumkehrbar in Gang gesetzt, bevor die für die Annahme eines Tötungsvorsatzes erforderliche Vorstellung bei den Angeklagten entstanden war. Ein für den Unfall und den Tod unfallbeteiligter Verkehrsteilnehmer ursächliches Verhalten der Angeklagten, das von einem Tötungsvorsatz getragen war, gab es nach diesen eindeutigen Urteilsfeststellungen nicht.
Davon abgesehen leidet auch die Beweiswürdigung der Strafkammer zur subjektiven Seite der Tat unter durchgreifenden rechtlichen Mängeln. Diese betreffen die Ausführungen zu der Frage, ob eine etwaiger Eigengefährdung der Angeklagten im Falle eines Unfalls gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes sprechen könnte.
Dies hat das Landgericht mit der Begründung verneint, dass die Angeklagten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt und eine Eigengefährdung ausgeblendet hätten. Mit dieser Erwägung ist aber nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen, dass die Angeklagten, wie das Landgericht weiter angenommen hat, bezüglich der tatsächlich verletzten Beifahrerin des einen von Ihnen schwere und sogar tödliche Verletzungen als Folge eines Unfalls in Kauf genommen haben.
Schon diesen Widerspruch in der Gefährdungseinschätzung der Angeklagten zu Personen, die sich in demselben Fahrzeug befanden, hat die Schwurgerichtskammer nicht aufgelöst. Hinzukommt, dass sie auch die Annahme, die Angeklagten hätten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt, nicht in der erforderlichen Weise belegt hat. Sie hat diese Annahme darauf gestützt, das mit den Angeklagten vergleichbare Fahrer sich in ihren tonnenschweren, stark beschleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Fahrzeugen regelmäßig sicher fühlten „ wie in einem Panzer oder in einer Burg“.
Einen Erfahrungssatz dieses Inhalts gibt es aber nicht.
Ein weiterer Rechtsfehler betrifft die Verurteilung des Angeklagten, dessen Fahrzeug nicht mit dem des Unfallopfers kollidiert ist. Seine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes könnte – selbst wenn die Strafkammer die Annahme eines Tötungsvorsatzes bei Begehung der Tathandlungen rechtsfehlerfrei begründet hätte – keinen Bestand haben.
Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich nämlich nicht, dass die Angeklagten ein Tötungsdelikt als Mittäter begangen haben. Dafür wäre erforderlich, dass die Angeklagten einen auf die Tötung eines anderen Menschen gerichteten gemeinsamen Tatentschluss gefasst und diesen gemeinschaftlich (arbeitsteilig) ausgeführt hätten. Die Verabredung, gemeinsam ein illegales Straßenrennen auszutragen, auf die das Landgericht abgestellt hat, hat einen anderen Inhalt und reicht für die Annahme eines mittäterschaftlichen Tötungsdeliktes nicht aus.
Veröffentlicht von Frau RAin Katja Koppers am 02.03.2018