Rechtsanwalt Geldern

Unterhaltsvorschussleistungen bei Mitbetreuung durch den anderen Elternteil

Leben die Eltern eines Kindes getrennt und leistet der barunterhaltspflichtige Elternteil den Mindestunterhalt nicht, beteiligt sich aber an der Betreuung des Kindes, besteht ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nur dann, wenn der Mitbetreuungsanteil unter 40 % liegt. 

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.2023 zum Az. 5 C 9.22

Der Fall:

Die Klägerin beantragte Anfang 2020 Unterhaltsvorschussleistungen für ihre 7-jährigen Zwillinge. Der Beklagte lehnte die Leistung mit der Begründung ab, die Kinder lebten im Sinne des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) nicht bei der Klägerin, weil sie gemäß einer familienrechtlichen Vereinbarung 14-tägig von Mittwoch nachmittags bis Montagmorgen beim Vater seien, der sie in dieser Zeit betreue. 

Die Entscheidung:

Die auf Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht erfolglos. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen auf das gemeinsame Sorgerecht der Eltern sowie darauf abgestellt, dass dieses auch tatsächlich praktiziert werde. Dies zeige sich an einem Betreuungsanteil des Vaters, der während der Schulzeiten 36 v. H. betrage und zu einer wesentlichen Entlastung der Klägerin bei der Betreuung der Kinder führe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen setzt neben ausbleibenden oder unzureichenden Unterhaltszahlungen durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil weiter voraus, dass das Kind bei einem Elternteil lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG). Das verlangt eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft, in der das Kind auch betreut wird. Die Vorschrift knüpft damit nach ihrem auch bereits in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Sinn und Zweck, nämlich an die durch das Alleinerziehen geprägte prekäre Situation an. Diese besteht darin, dass das Kind „nur“ bei diesem Elternteil lebt, weil hauptsächlich er die Betreuung (Pflege und Erziehung) des Kindes tatsächlich wahrnimmt und hiermit wegen des Ausfalls des anderen Elternteils besonders belastet ist. Außer in den Fällen vollständigen Alleinerziehens liegt eine solche Belastung auch dann vor, wenn der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei diesem Elternteil liegt, obgleich auch der andere Elternteil Betreuungsleistungen für das Kind erbringt. Eine wesentliche Entlastung des anderen Elternteils, welche die faktische Gesamtlage der gesetzlich in Bezug genommenen Alleinerziehung und damit den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ausschließt, liegt vor, wenn sich der andere (barunterhaltspflichtige) Elternteil in der Weise an der Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt, dass sein Betreuungsanteil 40 v.H. erreicht oder überschreitet. Der durch die Mitbetreuung eintretende Entlastungseffekt ist insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit sowie unter Berücksichtigung der Verwaltungspraktikabilität ausschließlich im Hinblick auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung zu ermitteln, also nach den Zeiten, die das Kind in der Obhut des einen oder des anderen Elternteils verbringt, und zwar ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen. Bei ganztägig wechselweiser Betreuung kommt es typisierend darauf an, wo sich das Kind zu Beginn des Tages aufhält. Der Bezug des Kindergeldes sowie Vereinbarungen zum Umgangsrecht kann demgegenüber nur eine indizielle und dem Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts grundsätzlich keine Bedeutung zukommen. Da das Verwaltungsgericht zu den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen und zur Zahlung von Unterhalt keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, war die Sache an dieses zurückzuverweisen.

 

Veröffentlicht von Rechtsanwalt Bernd Schmitz am 14.12.2023